Sanitätshaus Kunze produziert High-tech-Prothesen / Rundum-Angebot
Bertram Heide
WIESBADEN Alle Produkte rund um das Thema "gesund werden" und "gesund bleiben" bietet das Sanitätshaus Achim Kunze an der Taunusstraße an. Die Orthopädische Werkstatt allerdings bleibt der Mittelpunkt des Betriebes, sagt der Chef.
Abdulrazak Baruki Al Otaibi hat einen schweren Schicksalsschlag hinter sich. Einst war der 28-jährige Kuwaiti begeisterter Motorrad-Rennfahrer, bis er bei einem schweren Unfall sein rechtes Bein verlor. Seine körperliche Behinderung sieht man dem jungen Mann heute nicht mehr an. Und das ist sicherlich auch ein Verdienst der Spezialisten im Sanitätshaus Kunze.
"Als der junge Mann aus Kuwait vor einem Jahr zu uns kam, hatte er eine provisorische Prothese und ging mit zwei Achselstützen", erzählt Achim Kunze, "nachdem er bei uns war verließ er das Geschäft ohne Gehhilfen"
Abdulrazak Baruk Al Otaibi ist wieder in Wiesbaden. Es geht um die Feinarbeit an der neuen Prothese und geduldig lässt er die Prozedur über sich ergehen, wohl wissend, dass die Handwerkskunst an der Taunusstraße ihm ein deutliches Mehr an Lebensqualität bringen wird.
Der Orthopädiemeister bedient sich dabei modernster Technik. Zunächst wird die Prothese an ein Laptop angeschlossen. "Bei der Lauftechnik prüft der Computer die Bewegungsabläufe und stellt automatisch die Prothese auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten ein", erklärt Achim Kunze, während er seinen Kunden an den Computer anschließt.
Das Handwerk hat sich revolutionär weiter entwickelt. "Wir alle haben noch das Schmieden gelernt. Früher wurden die künstlichen Gelenke noch per Hand geschmiedet", erklärt Achim Kunze. Amboss und Schmiedehammer finden sich auch heute noch in seiner Werkstatt und sind nach wie vor für bestimmte Arbeitsgänge unerlässlich.
Immer mehr Kunden aus dem arabischen Raum suchen das Geschäft an der Taunusstraße auf, kommen aber auch aus den USA und in jüngster Zeit verstärkt aus Russland. Eng arbeitet Achim Kunze zudem mit den US-amerikanischen Streitkräften zusammen. "Patienten aus dem Irak-Krieg haben wir nicht. Die werden direkt in Landstuhl versorgt. Aber einige aus dem ersten Golf-Krieg, die heute noch bei der Army sind, werden immer noch von uns versorgt", erzählt der Chef und schmunzelt dann "Amis und Araber an einem Platz, das geht erstaunlich gut."
High-tech-Prothesen, Rollstuhl-Sonderbau für Schwerstbehinderte, orthopädisches Schuhwerk bis hin zur bekannten Einlage: mit seinem breit gefächerten Produktangebot sieht sich Achim Kunze "sicherlich führend in Wiesbaden, denn wir machen vom Anfang bis zum Ende alles selbst".
Neben der klinischen Orthopädie-Technik sind die geriatrische Versorgung und die Therapiebegleitung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen die Arbeitsschwerpunkte an der Taunusstraße.
2002 eröffnete das Sanitätshaus eine Filiale an den Dr. Horst-Schmidt-Kliniken, arbeitet eng mit der Asklepios Paulinenklinik zusammen und verfügt seit Januar über eine orthopädische Klinikwerkstatt im Zentrum für Rheumatologie und Orthopädie in Schlangenbad.
Immerhin 35 Mitarbeiter beschäftigt das Sanitätshaus. "Leider haben wir eine sehr große Verwaltung", klagt Achim Kunze und führt dies auf die komplizierten Abrechnungsverfahren mit den Kostenträgern, wie den Krankenkassen, zurück. Jedes Jahr stellt das Sanitätshaus zwei Lehrlinge ein. Ausgebildet wird auch Werkstattgespräch
in den Bereichen "Einzelhandelskaufmann" und dem neuen Berufsbild des "Kaufmann im Gesundheitswesen".
Über mehrere Stockwerke erstrecken sich die einzelnen Werkstätten. In einem Raum lagern Schäfte aus Pappelholz. "Vor 50 Jahren wurden Pappeln im Kurpark gefällt. Wir haben das Holz später übernommen", erzählt Kunze. Früher wurden Prothesen eben noch aus Holz angefertigt.
Gearbeitet wird nach wie vor mit Gipsabdrücken, die am Anfang stehen, wenn eine Prothese entstehen soll, und mit Leder, das beispielsweise auch bei der Herstellung von Miedern und Korsagen gebraucht wird. Zum Einsatz kommt in der Werkstatt allerdings auch flüssiger Kunststoff, der später in die gewünschte Form gebracht wird.
© RMB / Kubenka
Abdulrazak Baruki Al Otaibi (28) kam vor einem Jahr mit Achselkrücken in die Taunusstraße. Achim Kunze (rechts) passte ihm eine Computer-gesteuerte Prothese an. Der junge Kuwaiti ist nach der Fein-Einstellung zufrieden. Bewegen kann er sich fast wie vor dem Unfall.