Sanitätshaus bietet Ausbildungsplatz zum Orthopädie-Mechaniker / Biologisch-technisches Verständnis gefragt
Daniel Honsack
WIESBADEN Wer zu Achim Kunze in den Laden kommt, hat dafür meist einen unangenehmen Grund. Denn Kunze betreibt an der Taunusstraße ein Sanitätshaus. Es braucht also einen Unfall oder eine Krankheit, um mit ihm ins Geschäft zu kommen. Die ersten Barrieren fallen schon mit dem Betreten des offen und hell eingerichteten Verkaufs- und Beratungsbereichs im Erdgeschoss. Zwar wird der Kunde unmittelbar mit Gehhilfen aller Art konfrontiert, doch irgendwie macht alles einen freundlichen Eindruck. Derzeit ist Kunze wieder auf der Suche nach einem Auszubildenden zum Orthopädie-Mechaniker. "Die theoretischen Anforderungen sind hoch" sagt er gleich. Deshalb war bei den bisherigen Bewerbern noch kein geeigneter Kandidat dabei.
Der großzügige Laden ist nur ein kleiner Teil des Unternehmens. Im Herzstück befinden sich die Werkstätten. Achim Kunze und seine 40 Mitarbeiter sind in den Bereichen Reha-Technik, orthopädische Werkstatt und Groß-Orthopädie tätig. Sie bauen Rollstühle für individuelle Anforderungen, vor Ort sind die Medizinproduktberater damit beschäftigt, etwa den Lifter genau ins Treppenhaus einzupassen.
In der orthopädischen Werkstatt werden unter anderem Einlagen oder Daumenschienen hergerichtet. Außerdem baut ein Teil des Teams Prothesen für Bein und Arm. Hier gibt es ganz unterschiedliche Varianten. Das geht bei einfachen "Stelzbeinen" los und geht bis zu computergesteuerten Kniegelenken oder myo-elektronischen Prothesen, mit deren Hilfe künstliche Finger durch vom Arm ausgehende elektrische Impulse bewegt werden können. Mit etwas Übung lassen sich mit dieser Apparatur bald komplexe manuelle Vorgänge bewerkstelligen. Allerdings wird niemand zu besonders ausgefeilter Technik überredet. "Wir haben noch einige Kriegsversehrte, die mit ihren Pappelholzprothesen sehr gut zurecht kommen", berichtet der Fachmann. "Es gibt keinen Grund, sie von einer funktionierenden Hilfe abzubringen."
In den vergangenen Jahren hat Kunze bereits 18 junge Leute ausgebildet, von denen er 15 übernommen hat. "wer diesen Beruf ergreift muss viele Interessen mitbringen", sagt er und nennt die Bereiche Biologie, Mathematik und Biochemie als Beispiele. Aber es geht auch um Kreativität. "Man muss im Einzelfall der Beinprothese auch eine Form geben, die zum Patienten passt", merkt er an. Handwerkliches Geschick ist dabei unumgänglich. Die Ausbildung dauert dreieinhalb Jahre, der theoretische Unterricht findet in Blöcken statt.
Kunze selbst ist seit 1993 in Wiesbaden tätig und hat sich im November 2000 selbstständig gemacht. Seitdem betreut er Patienten aus aller Welt. Es gibt private Kunden, die sogar aus Russland oder dem arabischen Raum kommen, um sich bei ihm Spezial-Anfertigungen anpassen zu lassen. Auch Hilfsorganisationen kontaktieren ihn manchmal. Kürzlich hat er für einen pakistanischen Jungen dem beide Hände von einer Mine weggesprengt wurde, kostenlos Schienen für die Handstummel angefertigt. Für die täglichen Anforderungen ist das Sanitätshaus in integrierte Versorgungsprogramme eingebunden, arbeitet mit zahlreichen Kliniken zusammen. Im Institut für technische Sportorthopädie betreuen Kunze und seine Kollegen offiziell die Mannschaft des Fußball-Zweitligisten SV Wehen-Wiesbaden und einzelne Spieler von Eintracht Frankfurt und Mainz 05.
© Heymann
Beim Anpassen der Prothesen benötigt Achim Kunze (links) technisches Geschick und Fingerfertigkeit.